Push-back 2 – eine Begegnung

Gestern, am frühen Nachmittag, läutete meine Nachbarin an meiner Tür. Ob ich ein paar Minuten Zeit hätte, fragte sie. Sie wolle gern etwas besprechen mit mir.
Dazu ist zu sagen, dass meine Nachbarin, Frau Severine Korngold, (der Name wurde von mir natürlich aus Datenschutzgründen geändert) eine Alleinerzieherin, auch von Berufswegen, seit nunmehr dreißig Jahren meine Nachbarin ist. In diesen dreißig Jahren hatte sie noch nie etwas mit mir besprechen wollen. Meine Verwunderung war daher entsprechend groß.
Ich bitte sie herein und weil ich freundlich und gut erzogen bin, biete ich ihr eine Tasse Kaffee an. Sie lehnt ab. Natürlich, ich hätte es mir denken können, Frau Korngold, ist ihres Zeichens nicht nur alleinerziehend, sondern wie es sich für Vertreterinnen des grünen Milieus gehört, auch eine Kaffee verschmaehende Teetrinkerin. So etwas bringt aber einen Milieustreuner wie mich nicht aus der Ruhe. Grüner Tee ist auch im Hause, also stelle ich Wasser zu.
Ich würde gern zur Sache kommen, sage ich. Worum geht’s, Frau Nachbarin?
Sie sei, sagt sie, ganz zufällig auf meinen Artikel über die „Push – backs“ in den Zeitdiagnosen gestoßen und wolle sich nun vergewissern, ob tatsächlich ich es sei, der dieses Pamphlet geschrieben habe. Sie zweifle stark an meiner Autorenschaft, der guten Nachbarschaft wegen wolle sie aber sicher gehen. „Der guten Nachbarschaft wegen?“, sage ich. Nun ja, sie sei wie vom Donner gerührt gewesen, so etwas Menschenverachtendes hätte sie selten gelesen, sagt sie ohne Vorwarnung. Das hätte sie nicht nur total überrascht, sondern sie auch an ihrer Menschenkenntnis zweifeln lassen, von deren Zuverlässigkeit sie immer überzeugt gewesen sei. Sie habe mich bisher ganz anders eingeschätzt, werde aber nun wohl oder übel ihre Meinung über mich revidieren müssen. Niemals hätte sie mir soviel Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit zugetraut. Es sei eine Unverfrorenheit die Vorgangsweisen an den Grenzen gut zu heißen, mit denen unschuldige, hilfsbedürftige Menschen zurückgestossen würden. Herzlos sei das und unverantwortbar. Wie man das gutheißen kann, sei ihr unverständlich.

Es sei natürlich auch ihr, als überzeugter Sozialdemokratin, klar, dass Österreich allein nicht im Stande ist, alle Not der Welt zu lindern oder alle Kriege dieser Welt zu beenden, geschweige denn alle Flüchtlinge der Welt aufzunehmen, sie aber ohne Verfahren zurückzustoßen, sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie hatte sich so sehr in Rage gebracht, dass es mir angebracht schien, sie besser nicht zu unterbrechen.

Leute wie Sie, sagt sie in heftigster Erregung, sind dafür verantwortlich, dass Tausende im Mittelmeer ertrinken. Sie ringt nach Luft. Das gibt mir Gelegenheit zu erwidern: „Wer sich mutwillig in Gefahr bringt, darf sich nicht wundern, darin umzukommen.“, sage ich. Das bringt sie vollends aus der Fassung. Diese Leute besteigen total überladene, rostige Kähne oder billigste Schlauchboote fahren etwas auf das Meer hinaus, kaum fünf Kilometer von der Abfahrtskueste entfernt senden sie ein SOS – Signal und hoffen auf Rettung. In den meisten Fällen gelingt das auch, kaum dass sie die Küste Libyens oder Tunesiens verlassen haben, werden sie gerettet und in Italien an Land gesetzt. Das ist Kalkül, aber manchesmal geht’s nicht auf. Dann endet die Geschichte tragisch. Aber niemand wird gezwungen sich diesen Seelenverkaeufern auszuliefern, sage ich.

Wenn das wirklich Ihre Meinung ist, dann kann ich mit Ihnen nicht reden, sagt sie. Und dass sie das nicht von mir erwartet hätte. Und dann sagt sie noch,  dass sie mit mir überhaupt niemals mehr etwas zu tun haben wolle. Leute wie ich, seien das Unglück der Welt. Ich sei nicht besser als all die alten und neuen Nazis, die jetzt wieder aus ihren Löchern kroechen und eine Anzeige wegen Volksverhetzung werde sie auch noch einbringen. „Dann ist Schluss mit Ihrem rechtsradikalen Geschreibsel!, sagt sie.

Ich verzichte darauf, sie besaenftigen zu wollen und begleite sie wortlos zur Tür. Den Rest des grünen Tees versenke ich in den Ausguss.

Man wird sehen, ob meine empathische Menschenfreundin sich jemals dazu entscheiden wird, in ihr geräumiges Einfamilienhaus, das sie übrigens allein bewohnt, ein paar Flüchtlinge aufzunehmen. Dann würde ich meine Meinung über ihre Haltung, die ich hier verschweige, wohl ändern müssen.

* Dies ist natürlich eine fiktionale Geschichte, Aehnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

push – back, eine Zwischenbilanz

Wenn „push-backs“ gegen die Menschenrechte verstoßen, heißt das dann, dass jeder Staat illegal Einreisende tolerieren oder erzwungene Grenzuebertritte von Einreisenden (wie 2015) widerstandslos zulassen muss?

Wie sonst, als mit „push-backs“, soll sich ein Staat Personen gegenüber verhalten, die kein Recht auf Einreise haben, sich aber nicht abweisen lassen wollen? Umso mehr als die Praxis der letzten Jahre gezeigt hat, dass Rückschiebungen von Personen, die es irgendwie geschafft haben, österreichisches Staatsgebiet zu erreichen, aus unterschiedlichen Gründen oft nicht möglich sind. Abgeschoben werden in der Mehrzahl der Fälle ohnehin meist nur mehr Kriminelle nach Deutschland.

Meines Erachtens wird die Fluechtlingskonvention seit Jahren überstrapaziert, also zu extensiv ausgelegt, denn Menschen, die bereits aus einem sicheren Drittland kommen, sind nicht schutzwürdig! Da Österreichs Nachbarn alle zur Kategorie: sicheres Drittland zählen, dürfte es Einwanderung und Asyl aus diesem Titel heraus eigentlich gar nicht geben.

Was nicht heißen soll, dass man für bestimmte Gruppen nicht auch Ausnahmen (Ukraine) machen soll. Dann aber ist das eine Geste des Guten Willens, ohne dass sich ein Rechtsanspruch daran knüpfen könnte. Abgesehen davon zeigt man jenen politisch Verfolgten, die tatsächlich individuell bedroht sind (Assange u.a.) ohnehin seit Jahren die kalte Schulter.

Was also sollte ein Staat tun, wenn Menschen ohne einen legalen Anspruch auf einen Grenzübertritt zu haben, mit illegalen Mitteln versuchen, die Grenze zu überschreiten? Soll er tatsächlich jedem Zutritt gewähren, so wie es sich manche „Grüne“ und Linke auch für die wünschen, die aus einem sicheren Drittland einreisen wollen? Wenn ja, so muss klargemacht werden, dass sie damit auch das Ende des Sozialstaates herbeiführen. Spätestens dann sollte sich auch ihnen der damit verbundene Ziel- bzw. Wertekonflikt offenbaren. Extensive Einwanderung von Personen ohne ausreichende berufliche Qualifikation, ohne ausreichende Bildungsstandards zerstört die sozialen Errungenschaften, auf die wir mit Recht stolz sind.

Zudem zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass die Bemühungen um Integration von Personen, die aus fremden Kulturen kamen, speziell diejenigen, die einen islamischen Background haben, wenig Erfolg brachten. Der westliche Lebensstil wird größtenteils abgelehnt, man wünscht, die aus der alten Heimat mitgebrachten Wertstrukturen fortzuführen. Das führt unweigerlich zu Konflikten. Die Wertstrukturen in Indien, Pakistan oder Afghanistan sind mit unseren wenig kompatibel. „Si vivis Romae Romano vivito more“ – hieß es bei den alten Römern.

Eine „offene Gesellschaft“ ist schon was Erstrebenswertes, aber nur, wenn sie von a l l e n Bevölkerungsgruppen akzeptiert wird. Wenn jemand in einer straff strukturierten Stammeskultur sozialisiert wurde, kaum lesen und schreiben kann, auch die eigene Muttersprache nur fragmentarisch beherrscht, wie soll so jemand in einer hochtechnisierten Computergesellschaft mit einem offenen Wertesystem zurecht kommen? Eine „offene Gesellschaft“ hat da keine Chance. Da braucht es klare Regeln und Vorgaben mit abschreckenden Sanktionsdrohungen, wenn das Zusammenleben funktionieren soll. Leider hat auch der Großteil der Muslime diesbezüglich ganz andere Vorstellungen. Die Exzesse, die „veranstaltet“ werden, wenn sie sich als Muslime beleidigt fühlen, und sie fühlen sich meist sehr schnell beleidigt, sprechen für sich. Wer wagt noch ein Mohamedkonterfei abzudrucken? Wer wagt es noch, einen Scherz über ihn zu machen?

Wir leben längst in keiner offenen Gesellschaft mehr. Die wurde mithilfe ihrer selbsternannten „Verteidiger“, die Popper gar nicht oft genug zitieren können, meist aus dem grünen und roten Lager, abgeschafft. Insofern bin ich es, der sich in seinen Menschenrechten eingeschränkt fühlt, push-backs von kulturfremden Einwanderungswilligen, die sich illegalen Zutritt verschaffen wollen, sorgen mich daher naturgemäß weniger. Sorgen machen mir eher diejenigen Landsleute, die sich darüber beschweren, dass die Grenzen gesichert werden.

ORF – ich gestehe!

Ich gestehe, mir fast täglich zumindest eine Nachrichtensendung des ORF (meistens die ZIB-2) anzusehen. Weiters gestehe ich, mich meist über die Interviewfuehrung der Journalisten zu ärgern.

Es müsste doch möglich sein, den dort tätigen – hochbezahlten – „Anchormen“ klarzumachen, dass es nicht ihre Aufgabe ist, dem Zuseher ihre eigene moralische Integrität unter Beweis zu stellen – was übrigens meist ohnehin nicht mehr beinhaltet als den reinen Extrakt zeitgeistiger Strömung. Schon gar nicht darf es den Journalisten im Interview darum gehen, alles und jedes besser zu wissen. Ihre Aufgabe läge in erster Linie darin, dem Interviewten ausreichend Gelegenheit zu geben, seine Sicht der Dinge darzustellen. D a s interessiert mich als Zuseher. Ihn bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit zu unterbrechen, weil das Gesagte vielleicht dem eigenen Wertekanon widerspricht, verbietet sich von selbst. Natürlich ist es erlaubt, auf etwaige Widersprüche im Gesagten hinzuweisen, grundsätzlich sollte aber immer ein neutraler Standpunkt eingehalten werden. Die inhaltliche, ethische, politische Bewertung obliegt nicht dem Interviewer, sondern uns, den Zusehern. Ein Interview ist kein Streitgespräch! Das sollte eigentlich auch jedem Journalisten klar sein. Es sei denn er versteht seinen Beruf nicht als Journalismus, sondern als Propaganda. Und das scheint mir leider im ORF vielfach der Fall zu sein. Damit verspielt der ORF aber auch die letzten Reste seiner staatlich geförderten Sonderstellung in der Medienlandschaft.

Beruf „Politiker“?

Darueber nachzudenken, wie manche es geschafft haben, in die oberste Liga der österreichischen Politik aufzusteigen, macht im besten Falle wütend, – im schlechtesten Fall wird man depressiv.

Durchforstet man die Lebensläufe unserer Politprofis, so scheinen sich als beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere folgende Komponenten herauszukristallisieren:

  1. eine auf ein Mindestmaß reduzierte Schulbildung
  2. ausreichende Erfahrungen als Hilfsarbeiter, Milizsoldat oder Taxi -Chauffeur
  3. ein vom AMS geförderterter Schnupperkurs im Bereich Kommunikation
  4. eine nachweisbare – bereits in früher Jugend erworbene – Mitgliedschaft in einer parteinahen Jugendorganisation.

Wie die Erfahrung zeigt, sind darueberhinausgehende Ausbildungsabschluesse einer späterhin erfolgreichen Politiker-Karriere wenig zuträglich. Wen wundert es, dass diese „Eliten“ äußerst selten ein Zweifel am eigenen Tun befällt?

Alles ändert sich und bleibt doch wie es ist

Wie wenig sich doch Zeiten und „mores“ ändern! Egon Friedell schreibt über die Verhältnisse während der ital. Renaissance folgendes:

„Wir müssen, wenn wir die Schilderungen jener Schandtaten lesen, bei allem moralischen Schauder dennoch die Grazie, die Wohlerzogenheit, die Formvollendung, man möchte fast sagen: den Takt bewundern, mit dem die Leute sich damals hintergingen, auspluenderten und umbrachten. Der Mord gehörte damals ganz einfach zur Ökonomie des Daseins, wie heutzutage ja auch noch die Lüge zur Ökonomie des Daseins gehört. Unser Zeitungswesen, unser Parteiwesen, unsere politische Diplomatie, unser Geschäftsverkehr: dies alles ist auf einem umfassenden System der gegenseitigen Belügung, Übervorteilung und Bestechung aufgebaut. Niemand findet etwas daran. Wenn ein Politiker aus Gründen der Staatsraison oder im Interesse seiner Partei einem anderen Zyankali in die Schokolade schütten wollte, so würde die ganze zivilisierte Welt in Entsetzen geraten, daß aber ein Staatsmann aus ähnlichen Motiven betrügt, Tatsachen fälscht, heuchelt, intrigiert: das finden wir ganz selbstverständlich.“

Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit, der dieser Text entstammt, ist erstmals 1927, in drei Bänden, erschienen. Wen wundert es, dass sich seither offensichtlich wenig geändert hat? Egal für welche Partei, welche Interessensvertretung man sich entscheidet, an deren Spitze stehen in der Mehrzahl „Spitzbuben“!

Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, C.H.Beck, 3.Auflage, 2012, S 227 – zur Lektüre wärmstens empfohlen

Das „Embargo“

Europas Politiker drohten Russland vor mehreren Monaten mit Sanktionen! Wir erinnern uns? Man wolle weder Gas noch Öl kaufen, die wirtschaftlichen Beziehungen beschränken, um Putins Kriegskasse zu schwächen. So hieß es. Und auch die Mehrheit der österreichischen Politiker war dafür, sich diesen Sanktionen anzuschließen, wenngleich hinsichtlich eines Gasembargos von den Österreichern wegen der starken Abhängigkeit, Österreich bezieht 80% seines Gases von Russland, immer Vorbehalte geäußert wurden. Soweit die Vorgeschichte.

Nun, einige Monate später, verringert Russland von sich aus die Öl- und Gaslieferungen an europäische Kunden, die Preise für Energie steigen daraufhin gerade in astronomische Höhen, Putins „Kriegskasse“ ist höchstwahrscheinlich gefüllter denn je, und Europas Wirtschaft droht der Kollaps. Soviel zur europäischen Antikriegsstrategie. Wäre ich böswillig, würde ich das als einen „Schuss ins europäische Knie“ bezeichnen.

Was, denke ich mir angesichts der prekären Lage, in der wir uns nun befinden, haben sich Europas Politiker eigentlich gedacht, als sie Putin mit einem Öl- und Gasembargo drohten? Und warum fragt sie keiner der „Topjournalisten“ danach in den Medien?

War Aristoteles ein Faschist?

War Aristoteles ein Faschist?

Bis vor Kurzem hätte mich diese Frage vielleicht sogar empört, und ich hätte sie ohne Zweifel mit einem eindeutigen und überzeugten „Nein“ beantwortet. Vor wenigen Tagen fand ich jedoch die unten folgende Textstelle, die mich einigermaßen verwunderte, weil ich diesem wichtigen griechischen Philosophen bisher nur in positiven Konnotationen begegnet bin. Wiederum zeigt sich die „Gefährlichkeit“ von Halbwissen. Es gilt, was immer gilt: Man hüte sich vor strikten Urteilen, solange man nicht sicher ist, über genügend Informationen zu verfügen. Und: Man lernt nie aus!

„Es gibt Menschen, die befähigt sind, Anweisungen zu geben, und solche, die geeignet sind, sie auszuführen.[…] Zu Herren sind vor allem die Griechen bestimmt, während die nichtgriechischen Völkerschaften, von den Griechen Barbaren genannt, sich insbesondere zu Sklaven eignen.“ (Vgl. Pol.I 4-6)

Mit den Maßstäben unserer Zeit gemessen, die als Kennzeichen des Faschismus u.a. das Postulieren einer „Herrenrasse“ nennt, die von Natur aus berufen und befähigt ist, alle anderen (niederen) Rassen zu dominieren, müsste man ihn wohl so einordnen!

Dieses Beispiel zeigt aber auch einmal mehr, wie schwierig es für nachfolgende Generationen ist, historische Personen und Ereignisse angemessen zu beurteilen, wenn dabei aktuell geltende ethische Maßstäbe angelegt werden.

Quelle: „Politische Philosophie“, Ein Lesebuch, Texte, Analysen, Kommentare, Rowohlts Enzyklopädie, 1984, Hg. Burghard König, S. 70

Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei

„Stellvertreterkrieg“ – Oligarchen sind unsterblich

Seit Wochen sterben in der Ukraine Menschen im Krieg! Russen und Ukrainer!

Die einen sagen, die Ukrainer sterben für die Demokratie, die anderen sagen, sie sterben für den gesamten Westen, für die „westlichen Werte“, sie sterben daher auch für „uns“, sagen sie.

Vielleicht sterben alle diese Menschen aber nur, damit in der Ukraine nicht russische Oligarchen, sondern ukrainische Oligarchen regieren? Ich glaube nicht, dass es um Demokratie geht und auf das einfache Volk ist es bekanntlich noch nie angekommen! Außer beim „heldenhaften“ Sterben, da benötigt man es.

„Das Böse ist immer und überall!“

Um Missverständnissen vorzubeugen, sei festgestellt, dass ich den Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteile. Es gibt keine moralisch haltbare Rechtfertigung dafür, einen diplomatisch lösbaren, politischen Konflikt militärisch auszutragen, Menschen in den Tod zu treiben, dabei ein ganzes Land in Schutt und Asche zu legen und Millionen zur Flucht zu zwingen!

Ich glaube auch, dass die Europäische Gemeinschaft dem Aggressor Russland mit zivilen Mitteln zeigen muss, dass sie sich dagegen stellt. Dies sollte aber für j e d e n Aggressor gelten, unabhängig davon, ob er uns „sympathisch“ ist oder nicht, unabhängig davon, ob das bedrohte Land nahe liegt oder weit entfernt ist, unabhängig davon, ob uns die dortigen Gebräuche und Sitten gefallen oder nicht.

Es wird kaum jemand Beispiele amerikanischer Künstler oder Konzerne nennen können, die anlässlich der vielen von den USA zu verantwortenden Kriege seit 1945 von europäischen Staaten oder europäischen „Kulturträgern“ boykottiert wurden! Wurden jemals Liefer- oder Handelsverträge europäischer Staaten mit den USA wegen deren Kriege aufgekündigt? Gab es jemals europäische Sanktionen wegen „ungerechtfertigter Kriegsführung“ gegen die USA? Wurden von europäischen Banken jemals amerikanische Vermögenswerte „eingefroren“ oder Yachten amerikanischer Milliardäre festgesetzt?
Warum also behandeln wir russische Künstler und andere Russen, denen man keine persönliche Schuld an den Ereignissen zuweisen kann, wie Schuldige, während wir die amerikanische Seite beständig schonen? Nur deswegen, weil Amerika seine Kriege in anderen Erdteilen führte? Sind uns diese Menschen einfach weniger wert, weil sie uns geografisch und kulturell ferner sind?

Gerechtigkeit bedeutet immer noch, Gleiches gleich zu behandeln. Ein Blick zurück zeigt aber: Die Geschichte läuft anders! Die Geschichte ist nicht gerecht! Meine Hoffnung, dass sich die NATO in Zukunft vernünftig zurückhält, ist daher auch nur in mäßigem Ausmaß vorhanden.

Spricht man über Gerechtigkeit, so kann man auch an der „Enteignung“ russischer Oligarchen durch Staaten der Europäischen Union nicht wortlos vorbei.

Einige russische Oligarchen zittern jetzt um ihre in Europa „geparkten“ Vermögenswerte. Ihre Vermögen werden der Reihe nach „eingefroren“! Sie werden nicht enteignet! Das ist ein Unterschied, darauf legt man Wert. Zu enteignen, widerspräche ja unseren rechtsstaatlichen Prinzipien. Man verhindert bloß, dass Oligarchen über ihre Vermögenswerte verfügen können. Man setzt Yachten fest, beschlagnahmt Villen, sperrt Bankkonten und behindert anderes, so weit es eben geht.

Es sei ein Akt der Solidarität mit dem überfallenen Volk der Ukrainer alle Unterstützer der Putinschen Strategie der Verbrannten Erde mit in Verantwortung zu nehmen. Es sei durchaus gerecht, alle rechtsstaatlich korrekten Mittel einzusetzen, um die Finanzkraft russischer Oligarchen, die Putins Krieg finanzieren, zu schwächen. Auch dass man jene Künstler, die den Krieg ausdrücklich befürworten, aus dem Programm europäischer Kulturstätten nimmt, ist noch einigermaßen verständlich. Dass man aber jenen, die es vorziehen sich nicht zu äußern, Stellungnahmen abzuzwingen versucht, ist schändlich. Sie mit einem Boykott zu belegen ist es auch und es ist darüber hinaus ungerecht. Dass Frau Netrebko und Herr Gergiev mit Auftrittsverbot belegt bzw. aus ihren Engagements entlassen wurden, ist ein nicht wiedergutzumachender Fehler und ein entsetzlicher Verlust für die europäische Kultur. Die Beweggründe zu schweigen sind zu mannigfach, als dass man ihnen daraus einen Vorwurf konstruieren dürfe. Wir haben (zum Glück) auch Karajan nicht zu dirigieren verboten. Ähnliche Beispiele gibt es zu Hauf.


Welche Art von „Gerechtigkeit“ ist das aber eigentlich? Welche Art von „Rechtsstaatlichkeit“ ist das? „Nulla poena, nullum crimen sine lege!“ (Keine Strafe ohne Schuld!) ist einer der ersten, tragenden Sätze zivilisierter Rechtsordnungen!
Die V e r m u t u n g , sie (alle Russen) k ö n n t e n schuldig sein, (im Sinn von: sie könnten Putin-Unterstützer sein) genügt in einem Rechtsstaat nicht dazu, jemanden schuldig zu sprechen! Der geringste Zweifel führt zum Freispruch! So ist das Recht! *

Ich bin nicht und ich will nicht der Fürsprecher russischer Oligarchen sein, aber dass man deren Vermögenswerte jetzt so einfach „einfriert“, lässt mich an der Rechtsstaatlichkeit unseres Systems doch etwas zweifeln. Man beraubt sie ihres Eigentums, w e i l sie Russen sind? Andererseits sprechen wir den Nationalisten und Oligarchen Alexei Nawalny fast heilig. Nur weil er gegen Putin ist? (Vielleicht sind andere auch gegen Putin und wir wissen es nicht?)

Es wäre nicht nur gerechter, es wäre auch taktisch klüger, jene Oligarchen, von denen man nicht definitiv weiß, dass sie Putins Krieg finanzieren, nicht zu enteignen, ihnen ihre Yachten als Spielzeug zu lassen und zu versuchen, sie auf die Seite des Westens zu ziehen; sie in ihrem Anti-Putin-Engagement zu bestärken! Wenn jemand Putin stürzen kann, dann sind sie es. Und sie werden es nur dann tun, wenn sie ihre Geschäftsinteressen durch den Krieg bzw. die Sanktionen massiv gefährdet sehen.

„Divide et impera!“ (Spalte und herrsche!) Damit sind schon viele ans Ziel gelangt, nicht nur die CIA!

Die derzeitige Strategie des Westens wird den Krieg in die Länge ziehen und wenn die Führung um Selenskij nicht einschwenkt, das Land vollständig ruinieren. Höchstwahrscheinlich liegt die Lösung wirklich nur in einem Umbruch in den Führungen. Ich vermute doch, dass Putin den längeren Atem hat als Selenskij.

Anmerkungen:

  • Nachträglich am 28.3.2022 eingefügt: Dazu eine passende Stelle aus der phil. Religionsgeschichte, die ich heute in einem FB-Text von Nina Scholz gefunden habe. Hier wird gezeigt, wie weit zurück in der menschlichen Entwicklung das erstmalige Auftauchen eines individualistisch gefärbten Schuldbegriffs geht. Sie schreibt sinngemäß: „In der Ideengeschichte findet sich eine Art Proto-Individualismus bereits in der jüdischen Tradition des babylonischen Exils im 6. vorchristlichen Jahrhundert beim Propheten Ezechiel, wo es heißt: „Ein Sohn soll nicht tragen an des Vaters Schuld, und ein Vater nicht tragen an der Schuld des Sohnes.“ (Ezechiel 18, 20) Hier taucht vielleicht erstmals die Vorstellung eines Gottes auf, der die Verantwortung für Taten nicht mehr kollektiv dem Volk, dem Stamm oder der Sippe anlastet, sondern das Individuum als verantwortlich anspricht.“
  • Und wie ist das jetzt mit den „Enteignungen“, wenn sich zeigt, dass eine Vielzahl der enteigneten Oligarchen jüdischer Herkunft ist? Ist man dann als Enteigner eigentlich ein rassistischer Antisemit, ein Nazi oder doch noch (wieder) auf der richtigen Seite?

Wer bringt die beiden zur Vernunft?

Eine der Voraussetzungen für die Beendigung des Ukrainekriegs könnte – nach Kujats* Meinung – anscheinend doch die Übernahme eines Neutralitätsstatus durch die Ukraine sein! Genau das wollte und will offensichtlich auch Putin. Ähnliches forderte Kissinger schon 2014. Aber das hätte man v o r dem Krieg auch schon haben können, wenn sich die Ukraine um eine vernünftigen Dialog mit Russland bemüht hätte. Vielleicht sollten diejenigen, die immer auf eine Veränderung der politischen Lage (d.h.: auf einen Umsturz) in Russland hoffen, stattdessen auch auf eine politische Änderung in der Ukraine hoffen? Solange sich die ukrainische Bevölkerung von Selenskyj und seinen Gesinnungsgenossen am Gängelband durchs Chaos in den Tod führen lässt, wird der Krieg höchstwahrscheinlich unvermindert weitergehen und das Land in Schutt und Asche gelegt werden. Dass die Rede Selenskyjs im deutschen Bundestag, mit der er abermals versuchte, durch die Einbindung der NATO in den Krieg, einen nicht verantwortbaren nuklearen Weltkrieg zu entfesseln, heute mit stehendem Applaus quittiert wurde, wird höchstwahrscheinlich nicht als Sternstunde deutscher Politik in die Geschichte eingehen. Nicht nur Putin, auch Selenskyj muss man schleunigst zur Vernunft bringen.

*Harald Kujat * 1. März 1942 in MielkeReichsgau Wartheland) ist ein deutscher General a. D. der Luftwaffe. Er war von 2000 bis 2002 der 13. Generalinspekteur der Bundeswehr und von 2002 bis 2005 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. (Wikipedia)

Anmerkung: Ich habe seriöse Rückmeldungen (PN) bekommen, die meinen, ich würde die Opfer- und Täterrolle verdrehen. Dem ist nicht so, da werde ich gründlich missverstanden. An der Opfer und Täterrolle will ich nicht rütteln. Opfer ist die ukrainische Bevölkerung, das habe ich auch bisher immer betont. Täter sind „die Putins“ und „die Selenskyjs“ und jene Politiker des „Westens“, die den Ukrainern ungerechtfertigte, unerfüllbare Hoffnungen auf die Mitgliedschaft in der NATO und der EU gemacht haben.