Kategorie: Fremde Federn

Alles ändert sich und bleibt doch wie es ist

Wie wenig sich doch Zeiten und „mores“ ändern! Egon Friedell schreibt über die Verhältnisse während der ital. Renaissance folgendes:

„Wir müssen, wenn wir die Schilderungen jener Schandtaten lesen, bei allem moralischen Schauder dennoch die Grazie, die Wohlerzogenheit, die Formvollendung, man möchte fast sagen: den Takt bewundern, mit dem die Leute sich damals hintergingen, auspluenderten und umbrachten. Der Mord gehörte damals ganz einfach zur Ökonomie des Daseins, wie heutzutage ja auch noch die Lüge zur Ökonomie des Daseins gehört. Unser Zeitungswesen, unser Parteiwesen, unsere politische Diplomatie, unser Geschäftsverkehr: dies alles ist auf einem umfassenden System der gegenseitigen Belügung, Übervorteilung und Bestechung aufgebaut. Niemand findet etwas daran. Wenn ein Politiker aus Gründen der Staatsraison oder im Interesse seiner Partei einem anderen Zyankali in die Schokolade schütten wollte, so würde die ganze zivilisierte Welt in Entsetzen geraten, daß aber ein Staatsmann aus ähnlichen Motiven betrügt, Tatsachen fälscht, heuchelt, intrigiert: das finden wir ganz selbstverständlich.“

Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit, der dieser Text entstammt, ist erstmals 1927, in drei Bänden, erschienen. Wen wundert es, dass sich seither offensichtlich wenig geändert hat? Egal für welche Partei, welche Interessensvertretung man sich entscheidet, an deren Spitze stehen in der Mehrzahl „Spitzbuben“!

Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, C.H.Beck, 3.Auflage, 2012, S 227 – zur Lektüre wärmstens empfohlen

Humanität oder Dummheit?

Den nachfolgenden Text von Imad Karim, (den ich als Person nicht kenne und daher pol. auch nicht einordnen kann, – und von dem ich bisher auch keine Kenntnis hatte) habe ich eben auf fb geteilt. Es geht eigentlich auch nicht um ihn als Person, sondern um den Text, dem ich übrigens zustimme. Wegen der Dringlichkeit der Sache, möchte ich diesem Text  auch hier Platz geben:

Imad Karim: Das habe ich gerade bei „ZDF heute“ geschrieben:
BITTE NICHT VERGESSEN, BEIM TEILEN, MEINEN KOMMENTAR MIT ZU KOPIEREN,
Humanität, ethische, moralische und menschliche Grundsätze bilden das Fundament, auf dem eine Zivilgesellschaft steht. Diese Grundsätze verleihen ihr die ebenfalls moralische Kraft, mutige Entscheidungen zu treffen und auch diese umzusetzen. Dennoch darf sich die Humanität nicht zu einer neuen „Religion“ entwickeln und sie muss immer wieder kritisch hinterfragt werden. Humanität darf auch nicht erpressbar sein, denn im Moment wo Humanität von inhumanen Kräften genötigt wird, wird sie zu einem toten Vehikel von Appeacement und gibt sich auf.
Human handeln bedeutet, sich dem Anderen gegenüber human zu zeigen und nicht das eigene Ego zu befriedigen.
Wer solche Fragen, wie die folgenden nicht stellt, will keine Lösung, sondern sich selbst „etwas gutes“ tun:
<> Warum gibt es unbegleitete Kinder an der türkisch-griechischen Grenze oder in den camps auf den griechischen Inseln und wer hat sie dorthin gebracht?
<> warum gehen diese Syrer nicht nach Syrien zurück und leben mit ihren Landsleuten in ihrer angestammten zu 95% befreiten Heimat? Glaubt jemand, dass das Assad-Regime diese über eine Million auswanderungswilligen Bewohner Idlibs verhaften will?
<> warum spricht man das Problem nicht mit dem richtigen Namen an? Die Menschen kommen, weil sie sich für sich und ihre Kinder eine bessere Zukunft erhoffen. Das ist legitim, aber ist das legal und ist das vor allem mittel-und langfristig legal und hilfreich? Wie lange kann der mit dem Schweiß der hartarbeitenden Menschen in Deutschland aufgebaute Sozialstaat Zuwendungen in Milliardenhöhe ausgeben und wird nicht so sein, was bereits der Fall ist, dass jeder nach Deutschland umgesiedelte Migrant mindesten 10.000 Nachahmer animiert, denselben Weg zu gehen?
<> warum fliehen hauptsächlich Menschen aus islamischen Ländern und warum ist den Menschen dort trotz Reichtum in den letzten 100 Jahren trotz der reichen ölreserven nicht gelungen, eine Zivilgesellschaft und funktionierte Verwaltung aufzubauen? Hat das vielleicht mit dem Islam zu tun und sind das vielleicht die selben Gründe, die diese Menschen daran hindert, sich mehrheitlich in den westlichen Gesellschaften zu integrieren?
<> warum sind dieselben plötzlich entschlossenen „Flüchtlinge“ ganz zahm und zurückhaltend, wenn sie in der Türkei leben? Warum versuchen sie nicht, die Grenzen der Golfstaaten zu durchbrechen?
<> warum und wie können diese Migranten, von den Medien „Flüchtlinge“ umgetauft, so aggressiv sein und mit Allah-Akbar-Gebrülle griechische Polizisten mit Steinen und Rauchbomben bewerfen? Und hat sich jemand überlegt, was das bedeuten wird, wenn diese Menschen ihren Eunreisewillen mit Gewalt durchsetzen, was sie später in ihrem Gehirn speichern werden? Sie werden sich merken, dass mit Einsatz von Gewalt alles möglich ist und so werden sie sich in den Aufnahmeländern verhalten und man stelle sich vor, irgendeine finanzielle Krise bricht, sei es durch einen Virus oder durch eines anderen Ereignis aus und die monatlichen Zuwendungen des sozialen Wohlfahrtsstaates bleiben aus, was glaubt man, wie sich diese „Grenzen-Widerstandskämpfer“ tun werden?
Erpressbare Humanität und Abhebung von Moral übers Recht führen zum Verlust der Humanität, der Moral und auch des Rechtes.
Ein ungewolltes Chaos bleibt ein Chaos, aber das wollen die friedensverwöhnten Menschen in Deutschland nicht begreifen.
Vielleicht ist es eine Dialektik der Geschichte, dass Überhöhung und das exklusive verpachten von Moral die wesentlichen Gründe für den Untergang einer Hochkultur stets sind, wer weiß? Ich weiß!!!

Hamed Abdel-Samad

Das Misstrauen, die gegenseitigen Schuldzuweisungen und Gewalt schaukeln sich auf. Das ist mehr als bedenklich.

In der Rückschau auf diverse Bürgerkriege in der Welt, wie auch auf die bewaffneten Auseinandersetzungen in Österreich der 1930er Jahre,  scheint uns vieles am Verhalten der damals handelnden Menschen unverständlich. Der Mensch soll aus der Geschichte lernen, heißt es. Auch das Umgekehrte gilt: Die aufmerksame Beobachtung der Gegenwart bietet manchmal den Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge in der Vergangenheit.

Der nachfolgende Text, den Hamed Abdel Samad heute auf FB gepostet hat, beschreibt nicht nur die aktuelle Situation treffend, er mahnt auch zur Besonnenheit, deswegen sei er hier wiedergegeben.

Zitat:
„Solange jede Seite den Hass und die Gewalt der anderen thematisiert, aber zum Hass und zur Gewalt in den eigenen Reihen schweigt oder diese relativiert, werden wir das Problem nicht lösen. Sie erkennen nicht, dass Hass an sich das Problem ist, nicht nur der Hass der aus der anderen Seite kommt. Das tun leider die Rechten, die Linken, die Mitte und die Muslime. Man muss nur die Reaktionen der Rechten nach einem islamistischen Anschlag und ihre Reaktionen nach einem rechtsradikalen Anschlag mit einander vergleichen. Hier Empörung, dort Relativierung oder Schweigen. Auf rechtsradikale Anschläge wiederum reagieren viele Muslime mit Empörung und sehen den Täter oft als Vertreter des Westens, der den Islam und alle Muslime vernichten will. Ist der Täter selber Muslim, der Koranpassagen als Rechtfertigung seines Anschlags benutzte, dann ist er ein Einzeltäter, der mit dem Islam nichts zu tun hat. Dieser Einschätzung folgen oft die Linken und die Mitte, und glauben dadurch schützen sie Muslime vor Hass und Ausgrenzung. Dabei werden mehr Menschen skeptisch gegenüber Muslime, wenn man solche Taten verharmlost.
Alle hassen die anderen, weil sie Hass verbreiten. Aber den eigenen Hass sieht jede Seite nur als heiligen Zorn, der eine Legitimation hat. Alle wollen den Hass identitär bekämpfen, wir gegen die anderen. Alle glauben, sie würden den Hass bekämpfen, indem sie die anderen ächten und sich über deren Hass empören. Dadurch schaukeln sie sich aber gegenseitig hoch und es gibt dadurch noch mehr Hass. Denn die Empörung der anderen wirkt wie ein Rauschmittel für die kritisierte Seite, die wiederum für die Kritiker nur Verachtung übrig hat.
Wut ist eigentlich ein Ersatzgefühl, das die Gefühle von Angst und Gebrochen-Sein verdecken sollte, denn keiner gibt gerne zu, dass er unsicher ist. Wer sich seine Identität oder seiner Position sicher ist, braucht nicht zu brüllen oder sich mit dem Konflikt zu identifizieren. Die Rechten, die Linken, die Mitte und die Muslime sind unsicher und gebrochen. Sie suchen die Heilung in der Anfeindung mit den anderen, weil sie zu ihrem Gebrochen-Sein nicht stehen wollen, und den langen Weg der Selbstvergewisserung durch Ehrlichkeit und Reflexion nicht gehen wollen. Sie suchen die Lösung im Konflikt, doch der Konflikt ist oft nur eine Ablenkung vom eigenen Versagen!
Es ist Zeit, verantwortungsethisch zu handeln und gegen den Hass zu kämpfen, egal aus welcher Seite er kommt, und egal wie er sich verkleidet. Es gibt keinen guten und keinen schlechten Hass, denn der Hass ist das Mittel derer, die weder Selbstbewusstsein noch Konzepte haben!“

Durchgeknallter Türkenpascha!

Heiko Heinisch - Nina ScholzDarüber, was sich derzeit in der Türkei „abspielt“, kann man eigentlich nur mehr verwundert den Kopf schütteln. (Deswegen auch der bewusst provokant gehaltene Titel.)

Dass es auch bei uns im Lande eine große Anzahl von Türken und Doppelstaatsbürgern gibt, die die Politik Erdogans schätzen und sogar aktiv unterstützen wollen, indem sie die verbrieften Freiheiten unserer Demokratie benützen, um für ein totalitäres Regime Stimmung zu machen, stimmt nachdenklich. Man sieht, wie groß der Irrtum war, dem jene aufsaßen, die glaubten, man könne Menschen aus traditionellen, islamischen Kulturen innerhalb weniger Jahre in das westliche System integrieren, ohne mit „Rückschlägen in Form von Parallelgesellschaften“ rechnen zu müssen. Es steht einiges an Integrations- und Bereinigungsarbeit bevor.

Der nachfolgende Text,  von Nina Scholz auf fb als Kommentar veröffentlicht,  verdient wegen seiner wohldurchdachten Treffsicherheit Verbreitung, deswegen sei er auch hier in meinem Blog als Zitat dargestellt. Zu den letzten „Entgleisungen“ des türkischen Staatschefs schreibt sie:

„Diplomatie ist zweifelsohne wichtig und nötig, ganz besonders dort, wo Meinungsunterschiede vorhanden sind. Aber sie hat eine Grenze. Diese verläuft dort, wo eine Seite die andere mit dem Leben bedroht. Das ist mit Erdoğans jüngster Ansage der Fall: „Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.“
Das ist eine knallharte Drohung, die im Umgang von Staaten miteinander ihresgleichen sucht und die wir bisher nur von der Hamas-Regierung gegenüber Israel und vom IS gegenüber uns Europäern, Westlern und dem Rest der Welt, auch gern „Ungläubige“ genannt, kennen, und die sich in diesen Tagen ein weiteres Mal auf tragische Weise in Terrorattacken niederschlägt. Diese Drohung ist der Punkt, an dem der Abbruch diplomatischer Beziehungen nicht nur gerechtfertigt, sondern auch sinnvoll ist. Appeasement und Zugeständnisse führen (und das zeigt nicht nur die Geschichte, sondern gebietet auch die Vernunft) in einem derartigen Fall von Selbstherrlichkeit, Herrenmenschentum („Die Türkei befiehlt – ihr könnt höchstens um etwas bitten“), von Persönlichkeitsstrukturen, wie sie Erdoğan oder Çavuşoğlu aufweisen, zu nichts, aber auch rein gar nichts. So schwer es manchen fällt, von Illusionen Abstand zu nehmen und vielleicht auch die Verblendung, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, zu überwinden: Mit der derzeitigen türkischen Regierung und ihrer leider viel zu großen Anhängerschaft ist keine sinnvolle Zusammenarbeit möglich. Auch das viel beschworene Aufeinander- Angewiesensein von EU und Türkei ist keine Einbahnstraße. Die Türkei hat einiges zu verlieren. Die europäischen Ländern sollten nach dieser Drohung ihre Botschaftsangehörigen abziehen (die angesichts stetiger Eskalation ohnehin nicht mehr sicher sind) und gemeinsam sehr klare Ansagen machen. Und das hat, nebenbei gesagt, auch etwas mit Würde zu tun.“

Nur der Ordnung halber sei angemerkt, dass ich die Aussagen dieses Textes vollinhaltlich unterstütze.

Literaturtipp: Nina Scholz und Heiko Heinisch, Europa, Menschenrechte und Islam, Passagen Verlag, 2012)