Alles ändert sich und bleibt doch wie es ist

Wie wenig sich doch Zeiten und „mores“ ändern! Egon Friedell schreibt über die Verhältnisse während der ital. Renaissance folgendes:

„Wir müssen, wenn wir die Schilderungen jener Schandtaten lesen, bei allem moralischen Schauder dennoch die Grazie, die Wohlerzogenheit, die Formvollendung, man möchte fast sagen: den Takt bewundern, mit dem die Leute sich damals hintergingen, auspluenderten und umbrachten. Der Mord gehörte damals ganz einfach zur Ökonomie des Daseins, wie heutzutage ja auch noch die Lüge zur Ökonomie des Daseins gehört. Unser Zeitungswesen, unser Parteiwesen, unsere politische Diplomatie, unser Geschäftsverkehr: dies alles ist auf einem umfassenden System der gegenseitigen Belügung, Übervorteilung und Bestechung aufgebaut. Niemand findet etwas daran. Wenn ein Politiker aus Gründen der Staatsraison oder im Interesse seiner Partei einem anderen Zyankali in die Schokolade schütten wollte, so würde die ganze zivilisierte Welt in Entsetzen geraten, daß aber ein Staatsmann aus ähnlichen Motiven betrügt, Tatsachen fälscht, heuchelt, intrigiert: das finden wir ganz selbstverständlich.“

Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit, der dieser Text entstammt, ist erstmals 1927, in drei Bänden, erschienen. Wen wundert es, dass sich seither offensichtlich wenig geändert hat? Egal für welche Partei, welche Interessensvertretung man sich entscheidet, an deren Spitze stehen in der Mehrzahl „Spitzbuben“!

Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, C.H.Beck, 3.Auflage, 2012, S 227 – zur Lektüre wärmstens empfohlen

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