Ukraine – Menschen, Rohstoffe und andere Interessen

Kriege dezimieren die Bevölkerung! Verzeihen Sie mir diese Binsenweisheit! Es ist eine, aber eine, die man nicht außer Acht lassen darf. Viele Insider sprechen bereits davon, dass es der Ukraine immer schwerer fällt, die „Ausfälle“, also im Klartext: die Menschen, die im Krieg zu Tode gekommen sind, entsprechend ihrer Funktion zu ersetzen. Eine zahlenmäßig dezimierte Bevölkerung kann sich naturgemäß weniger gut verteidigen, daher ist es nötig darauf zu reagieren. Um einen Krieg zu gewinnen, braucht der Staat nicht nur entsprechendes Kriegsgerät, er braucht immer noch Menschen, die diese Waffen bedienen. Wenn ihm diese Menschen „ausgehen“, nützt auch teuerstes Gerät nichts. Maßgebliche Generäle weisen jetzt schon darauf hin, dass Russland auch in dieser Hinsicht den längeren Atem haben wird. Die russische Kriegsmaschinerie rekrutiert sich nicht nur aus einem quasi unerschöpflichen Reservoir, es hat aufgrund seiner autoritären Staatsstruktur auch weniger Probleme damit, seine Mobilmachungen politisch durchzusetzen. Die Ukraine hingegen ist nicht nur in Hinblick auf die Gerätschaften zur Kriegsführung vom amerikanischen und europäischen Wohlwollen abhängig, sondern mit zunehmender Fortdauer des Krieges anscheinend auch in Hinblick auf die Ressource „Mensch“. Im Nachfolgenden wird dazu noch einiges gesagt werden. Zudem kann man damit rechnen, dass die Solidarität, der in den Krieg zumindest schon indirekt involvierten „Westmächte“ , eher zerbröseln wird als das autoritäre System Putin. Vor allem dann, wenn die wirtschaftliche Entwicklung Europas sich weiter so fortsetzt wie sie es augenblicklich tut, wird die Sinnhaftigkeit der Kriegsunterstützung in Frage gestellt werden. Während Russland ein Wirtschaftswachstum verzeichnet, fällt Europa, dank der Sanktionspolitik, immer weiter ab.

Betrachtet man nun die Bevölkerungsentwicklung der Ukraine, so muss man feststellen, dass sich die Ukraine bereits in den letzten Jahrzehnten vor dem Krieg bevölkerungsmäßig ausgedünnt hat. Ob das an der Entwicklung der Geburtenrate liegt oder an Tendenzen zur Abwanderung, sei dahin gestellt. In den letzten Jahren hat sich dieser Effekt durch den Krieg natürlich noch verstärkt. Der Krieg hat eine große Anzahl von Opfern gefordert, so viele, dass die Armee ihre „Ausfälle“ kaum mehr durch Ukrainer ersetzen kann. Viele, auch wehrfähige junge Männer, sind geflüchtet und durch Söldner ersetzt worden. Es liegt auf der Hand, dass sich viele europäische Staaten sogar für den Einsatz von Bodentruppen aus den Beständen der NATO stark machen, weil sie sich eine gerechte Lösung des Konflikts einzig nur in der Form vorstellen können, dass die Ukraine als Sieger vom Platz geht – allen voran Frankreichs Staatspräsident Macron, der sich damit wohl eine Chance wahren will, endgültig aus dem Schatten herauszutreten, den ehemals Frau Merkel auf ihn warf. Dass damit in Europa ein Flächenbrand entstünde, eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes, scheint einige weniger zu stören, als sie eine angeblich „ungerechte“ Lösung für die ukrainische Frage stören würde.

In den letzten 25 Jahren ist die Bevölkerung der Ukraine um rund ein Fünftel gesunken: von 50,9 Millionen im Jahre 1996 auf 41,4 Millionen im Jahre 2022. Das entspricht einem Verlust von knapp 9,9 Millionen Personen. (Quelle: Stat. Bundesamt Deutschland) Dieser Verlust wird sich in den letzten zwei Jahren höchstwahrscheinlich nicht verringert, sondern sicher vermehrt haben. Knapp 1,4 Millionen Menschen sind nach Deutschland geflüchtet, ca. 1 Million ist nach Polen, nach Tschechien sind etwa 400.000, nach Österreich sind ca. 84.000 Menschen gekommen. Offizielle Zahlen darüber, wie viele nach Russland geflüchtet sind, findet man in europäischen Statistiken natürlich leider nicht. Ein Kriegsberichterstatter, der deutsche Journalist und Buchautor Patrik Baab * („Auf beiden Seiten der Front“, kommt 2024) spricht in einem Interview davon, dass angeblich fast 7 Millionen Ukrainer nach Russland geflüchtet seien. Das und andere dem Mainstream gegenläufige Fakten, etwa die Tatsache, dass in den nun russisch besetzten Gebieten des Donbass und der Krim mehrheitlich Russen ansässig sind, dass es seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten starke wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen dieser Gebiete und seiner Bevölkerung zu Russland gab, dass sogar eine von Russland durchgeführte Abstimmung über den Anschluss der Gebiete an Russland gegeben hat, die „der Westen“ und die Ukraine nicht anerkannten, will man hier im freien Westen nicht gelten lassen. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, sonst so gern ins Treffen geführt, spielt hier wieder einmal keine Rolle. Aber leugnen lässt sich das alles auch nicht. Alles das ist das natürlich keine Rechtfertigung dafür, den völkerrechtlich nicht gedeckten Anschluss ukrainischer Gebiete an Russland mit kriegerischen Mitteln herbeizuführen. Dass man diese Auseinandersetzung aber mit kriegerischen Mitteln zu Gunsten der Ukraine ebensowenig wird bereinigen können, steht ohne Zweifel auch fest. Man wird sich wie immer in solchen Fällen auf einen Kompromiss einigen müssen, der letztlich mit Gebietsverlusten der Ukraine einhergehen wird. Dass man dies im Vorfeld durch eine geschicktere Politik verhindern hätte können und verhindern hätte müssen, ist auch eine Binsenweisheit. Es geschah nicht. Jetzt ist es zu spät, darüber zu klagen. Die Abwanderung, die Kriegstoten, die Fluchtbewegungen und der damit in Zusammenhang stehende Bevölkerungsrückgang sind zwar nicht das einzige, aber doch ein wichtiges Problem.

Ein anderes Problem betrifft die Landwirtschaft der Ukraine und auch die der EU. Tatsache ist, dass sich die europäischen Bauern vermehrt, u.a. wegen der geförderten Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine, in ihrer Existenz bedroht sehen und europaweit gegen die europäische Landwirtschaftspolitik und ihre einschneidenden Auswirkungen protestieren. Dass auch die Annäherung der EU an MERCOSUR ähnliche Gefahren für die einheimische Landwirtschaft in sich birgt, darüber vielleicht ein anderes Mal mehr. Landwirtschaftlich halbwegs autark zu sein, wäre für Europa auch im 21. Jahrhundert kein Nachteil. Darauf zu achten, dass die Ernährungssicherheit gegeben ist, wäre m.E. eine der wesentlichsten Aufgaben der europäischen Staaten. Genau dies wäre aber in Gefahr, würde man die Tendenz, die Bauern weiter unter Druck zu bringen, so dass noch mehr von ihnen aufgeben, aufrecht erhalten. Dass die Gewinner der europäischen Landwirtschaftspolitik nicht die Bauern sind, die nicht mehr durch ihre Arbeit, sondern nur noch durch das Ausfüllen von Formularen für EU-Subventionen überleben, sondern die Landwirtschaftsindustrie und der Handel, die den Hauptteil der Subventionen einstreifen, wer würde das ernsthaft bezweifeln? Wer, sollte man sich fragen, hat ein Interesse daran, die Landwirtschaft noch stärker zu industrialisieren, als es ohnehin schon der Fall ist? Und wer gewinnt, wenn Europa massenhaft Getreide aus der Ukraine importiert?

Abgesehen von allgemeinen politischen und sicherheitspolitischen Interessen, die ich hier in früheren Beiträgen schon angesprochen habe, gibt es natürlich auch andere handfeste Gründe, die die Ukraine sowohl für Russland als auch für die Amerikaner und natürlich auch für die Europäer interessant macht. Die Ukraine war immer schon eine der lukrativsten Kornkammern der Welt, niemand sollte das besser wissen als wir Österreicher, als eines der Überbleibsel der k.u.k. Monarchie. Weite Teile der Ukraine gehörten bekanntlich zum habsburgischen Großreich und trugen maßgeblich dazu bei, die Monarchie mit Lebensmitteln versorgen zu können. Zu glauben, dass das Faktum der Bodenfruchtbarkeit heute keine Rolle mehr spielt, wäre ein großer Irrtum. Längst haben sich dort westliche Großkonzerne ihre Einflussbereiche in Bezug auf die ertragreichen Schwarzerdeböden gesichert. Dass es sogar jetzt im Krieg in Absprache mit dem Erzfeind Russland gelingt, zahlreiche Weizenexporte aus dem Kriegsgebiet über das Schwarze Meer und auf dem Landweg herauszubringen, sollte man vielleicht weniger als Indiz für die „humanitäre Einstellung“ Russlands oder gar des Westens den „Hungernden der Welt“ gegenüber begreifen, sondern besser als beinhartes Geschäft, das enorme Gewinne abwirft. In der Ukraine können amerikanische und europäische Konzerne, im Vergleich zum übrigen Europa, konkurrenzlos billig Getreide erzeugen. Aber die Verfügungsgewalt über diese Ressource ist natürlich nicht das einzige Interesse, das die Staaten leitet.

Die Ukraine verfügt darüber hinaus, und das ist vielleicht weniger bekannt, über die größten Lithiumvorkommen Europas. Lithium ist ein wesentlicher Grundstoff für die Herstellung von Batterien, die unsere „geliebten“ Elektroautos so dringend benötigen. Vielleicht wissen das „die friedensbewegten Grünen“ sogar und stehen einer kriegerischen Lösung deswegen nahe? Könnte das etwa auch ein Grund dafür sein, warum die „Freiheit“ der Ukraine so interessant für Europa und den Westen ist? Zu erwähnen, dass Frankreich sein Uran für die Atomkraftwerke nach wie vor aus Russland bezieht, es ist auf Wunsch Frankreichs von der Sanktionsliste gestrichen worden, ist vielleicht auch nicht ganz uninteressant.

Geht es dem Westen wirklich nur darum, dass alle Völker der Welt in Freiheit und Selbstbestimmung leben können? Geht es wirklich darum, in der Ukraine der Demokratie westlicher Prägung zum Durchbruch zu verhelfen? Und wer kann mit Sicherheit beurteilen, dass eine „Demokratie westlicher Prägung“ das für die Ukraine am besten geeignete System ist? Wen, sollte man sich fragen, stört es, dass dieselben angeblich freiheitsliebenden, westlichen Demokraten, die sich berufen fühlen allen Anderen Demokratie beizubringen, jene „Verräter“, die es wagen, die Kriegsverbrechen der eigenen westlichen Vorzeigedemokratien öffentlich zu machen, [Julien Assange, Bradley (Chelsea) Manning] jahrelang ohne rechtsstaatliches Urteil in Gefängnissen schmachten lassen und so deren Leben zerstören? Das alles stört sie nicht? Navalny ist schutzbedürftig – Assange nicht? Die Kriegsbefürworter haben sich wiedereinmal das Mäntelchen „Kämpfer für die Freiheit“ umgetan und versuchen sich so mit einem „cordon sanitaire“ zu umgegeben, um sich gegen jegliche Kritik zu immunisieren. Dem russischsprachigen Kleinbauern in der Ost-Ukraine wird es mehr oder weniger egal sein, ob er von einem russischen oder einem ukrainischen Oligarchen gepiesackt wird, wenn im Gegenzug dafür seine Frau, seine Söhne und Töchter am Leben bleiben, sein Haus unversehrt bleibt und er ein Leben in Sicherheit führen kann.

Wir sollten unsere Politiker nicht so einfach davonkommen lassen und auch die latenten Interessen offenzulegen versuchen, die man uns zu verheimlichen trachtet. Daran zu arbeiten, könnte sich lohnen. Es stehen übrigens in naher Zukunft Wahlen zum Europäischen Parlament an. Vielleicht wäre es angebracht, nicht auf die vielen verlockenden Versprechungen zu vertrauen, die man uns Wählern sicher wieder machen wird, sondern bei der Stimmabgabe auf die eigene kritische Beurteilung der Ergebnisse bisheriger Politik setzen.

Anmerkung:

Da Patrik Baab der offiziellen Medien-Meinung, dem Mainstream, oft widerspricht, wird er von seinen Gegnern gerne ins Lager der „Schwurbler“, „Faktenverdreher“, „Verschwörungstheoretiker“ und „Putin-Versteher“ abgeschoben, seine Auftritts- Veröffentlichungsmöglichkeiten wurden eingeschränkt. Die Vorkommnisse rund um andere „Widerspenstige“, die ihre meiner Ansicht nach oft gut begründeten Forschungsergebnisse oder auch Meinungsäußerungen sogar mit dem Verlust ihrer Professur oder anderen Anstellungsverhältnissen im Bereich der Medien oder des Wissenschaftsbetriebes bezahlen mussten, lassen mich vorsichtig sein mit der Übernahme solcher „Urteile“. Ob Baab zu Recht als Faktenverdreher bezeichnet wird, darüber möge sich also jeder sein eigenes Bild machen. Ich für meinen Teil, habe mir dazu noch kein abschließendes Urteil bilden können, weil die Faktenlage dies für mich noch nicht zulässt. Ich bin jedenfalls offenen Herzens bereit, einige seiner Überlegungen unvoreingenommen zu überdenken, zumindest solange mir keine gegenläufigen Fakten bekannt sind.

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